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Dimitri Steinmann - ein Portrait

Dimitri Steinmann - ein Portrait

Dimitri «the Jet» Steinmann macht seinem Übernamen alle Ehre: Im Eiltempo zieht der Squash-Profi an seinen Konkurrenten vorbei und holt sich einen Sieg nach dem anderen. Seit Herbst 2021 tritt die Nummer zwei der Schweiz bei GC auf Position eins an. Der amtierende Schweizermeister gibt aber auch neben seiner sportlichen Karriere Gas: Mit Ausbildungen zum Trainer und zum Lerntherapeuten bereitet er sich schon jetzt auf die Zeit nach der Sportkarriere vor.

Dimitri Steinmann bringt alle Voraussetzungen mit, die es im Squash braucht: Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und mentale Stärke. Ende 2021 wurde er erstmals Schweizermeister und hat damit die Siegesserie des 14-fachen Schweizermeisters Nicolas Müller vorerst beendet. «Dieser Sport hat so viele Facetten», schwärmt Dimitri. «Während beispielsweise beim Laufsport immer der Schnellste gewinnt, braucht es beim Squash ein ganzes Paket an verschiedenen Qualitäten.» Dimitri Steinmann bringt das Paket mit. «Eine meiner Stärken ist meine Ausdauer», so der 24-jährige Dübendorfer. Wenn die Kraft der Gegner nach zwei Stunden langsam nachlässt, zwingt er sie damit in die Knie.

Für die Freundschaft zum Squash

Dass Dimitri Steinmann so viele sportliche Talente hat, kommt nicht von ungefähr: Seine Mutter gewann einst den Schweizermeistertitel im Synchronschwimmen, sein Vater war in den 90er-Jahren Weltcup-Gesamtsieger und Vize-Weltmeister im Modernen Fünfkampf. «Statt den Teletubbies sah ich mir die DVDs über die grössten olympischen Momente an, die mein Vater rumstehen hatte», erinnert sich Dimitri. «Der Sport hat bei uns zum Alltag gehört. Ich wusste immer, dass ich irgendwann Profi-Athlet werde.» Doch zum Squash kam er durch einen Zufall: In der Spielgruppe freundete er sich mit einem Jungen an, den er fortan immer am Mittwochnachmittag zum Spielen traf. «Plötzlich konnte er nicht mehr abmachen, weil er am Mittwochnachmittag zum Squash ging», so Dimitri. «Damit ich ihn weiterhin sehen konnte, ging ich also einfach mit.» Neben dem Squash versuchte sich Dimitri auch im Schwimmen, im Tennis, im Fussball und im Fechten. Doch als er mit 12 Jahren ins Swiss Squash Junioren-Nationalkader aufgenommen wurde, wurde ihm bewusst, welches Talent in ihm schlummert.

Profilager statt Matur

Mit 15 folgte sein erstes Spiel in der Nationalliga A, mit 18 wurde er ins Profilager aufgenommen. «Bei meiner ersten PSA Challenger Tour kam ich weiter als erwartet. Da wurde mir klar, dass ich das Zeug zum Profi habe», berichtet Dimitri. Also setzte er alles auf eine Karte und brach das Sportgymnasium ab. Während sein Vater das für die richtige Entscheidung hielt, machte sich seine Mutter vorerst Sorgen. «Beide haben mich aber voll unterstützt und ihr Vertrauen in mich gesetzt.» Ihre Unterstützung war in den kommenden Jahren Gold wert. Denn die ersten zwei Jahre waren hart: Für Turniere flog Dimitri um die halbe Welt, die kleinen Preisgelder und die Reisekosten hielten sich knapp die Waage. Mit den Jahren stiegen schliesslich die Preisgelder und die Sponsorengelder. Zudem spielt er mittlerweile nicht mehr nur in der Schweizer Nationalliga A, sondern auch in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Trotzdem: Reich werde man damit kaum. «Da ich ohnehin rund acht Monate im Jahr unterwegs bin, wohne ich noch bei meinen Eltern. Dadurch habe ich zum Glück kaum Fixkosten», verrät er.

Ausgleich und Absicherung

Das zahlte sich besonders während dem ersten Pandemie-Jahr aus. «Ich konnte zwar an keinen Turnieren teilnehmen, dafür fielen aber auch keine Reisekosten an», erinnert sich Dimitri. Zudem seien ihm seine Sponsoren treu geblieben. Auch mit seinem Nebenjob beim Zürcher Fernsehsender TeleZ, der seinen Eltern gehört, hatte er eine kleine Einnahmequelle. Wider aller Erwartungen ist er dort nicht als Sportredaktor, sondern im Marketing tätig. «Da sich sonst mein ganzes Leben um den Sport dreht, ist es ein willkommener Ausgleich, sich ab und zu mit etwas anderem zu beschäftigen», erklärt er. «Zudem fasziniert mich die Sales- und Finanzwelt.» Ob dieser Bereich allenfalls nach seiner aktiven Zeit als Squash-Spieler mehr an Bedeutung für ihn gewinnt, kann er momentan noch nicht absehen. Er bereite sich mit verschiedenen Weiterbildungen auf die Zeit nach seiner sportlichen Karriere vor, so zum Beispiel mit der Ausbildung zum diplomierten Trainer. «Gleichzeitig lasse ich mich gerade zum Lerntherapeuten ausbilden», fügt er bescheiden hinzu. Damit kann er künftig Menschen mit Lern- und Leistungsstörungen fördern.

Mit GC zu mehr Entscheidungsfreiheit

Doch an das Ende seiner Squash-Karriere denkt Dimitri Steinmann noch nicht. Denn es läuft gut für ihn. Im Herbst 2021 wechselte er vom SC Sihltal zum neu formierten Team GC, wo er an Position eins antritt. «Da mit Nicolas Müller die Schweizer Nummer 1 ebenfalls beim SC Sihltal spielt, war das nie ‹mein› Team», gibt er zu bedenken. «Bei GC habe ich nun mehr Entscheidungsfreiheiten – und eine kürzere Anreise», schmunzelt er. Die Nummer 2 der Schweiz und Nummer 44 der Welt möchte bald zu den Top 30 der Weltrangliste gehören. Der Schweizermeistertitel sei zudem erst der Anfang gewesen: «Dieser Sieg im Dezember war unbeschreiblich. Doch er war nur ein Etappenziel.» Nun liebäugelt Dimitri mit dem Weltmeistertitel. An der WM 2022 in Kairo schied er zwar in der ersten Runde gegen den Weltmeister 2016 Karim Abdel Gawad aus, doch sein Kampfgeist ist geweckt: «Ich habe mittlerweile ein ausgereiftes Spiel und kann lange Matches häufig für mich entscheiden.»

Der Traum von Olympia

Um sich weiter zu verbessern, trainiert Dimitri mehrere Monate im Jahr mit seinem neuen Trainer Rob Owen im britischen Birmingham. Owen trainiert unter anderem auch Paul Coll, die momentane Weltnummer 1. «Das ist natürlich eine grosse Ehre und bringt mich meinen Zielen näher», so Dimitri.
Ein Wunsch bleibt ihm aber wohl verwehrt: Als Sohn von zwei Olympioniken hat Dimitri Steinmann immer davon geträumt, auch einmal an Olympia teilzunehmen. Trotzdem bereut er nicht, sich für Squash und damit gegen eine olympische Sportart entschieden zu haben. «Ich mache nichts lieber als Squash», betont er. Und da Aufgeben für ihn ohnehin nicht in Frage kommt, hält er auch an diesem Traum weiterhin fest: «Wer weiss, vielleicht wird Squash irgendwann doch noch olympisch…»

Pamela Schefer